Schmerzen werden beschrieben als unangenehmes, emotionales Empfinden, welches von einer vorhandenen oder potentiellen Gewebsschädigung hervorgerufen wird. Man geht beim Tier vom gleichen Schmerzempfinden wie beim Menschen aus, es erfolgt die gleiche Schmerzweiterleitung.
Schmerzweiterleitung
Auslösender Reiz ist meist eine Schädigung des Gewebes durch mechanische, thermische, elektrische oder chemische Einwirkungen auf den Körper. Als Folge kommt es zur Freisetzung von Schmerz erregenden Stoffen, sog. Botenstoffen. Durch diese kommt es zu einer Erregung sogenannter Schmerzrezeptoren.
Rezeptoren sind eine Art „Anlegestelle“ an der Zelloberfläche. Botenstoffe können dort andocken und in der Zelle ein Signal auslösen, welches dann zu einer Reaktion der Zelle (in diesem Fall auf den Schmerz) führt.
Diese Schmerzrezeptoren befinden sich meist als freie Nervenendungen in allen Körperregionen. Sie leiten die aufgenommenen Schmerzreize als elektrische Signale über Nervenfasern weiter an das Zentrale Nervensystem und schließlich an das Gehirn. Dort, genau gesagt im Limbischen System, erfolgt die Bewertung des Schmerzes. Die Großhirnrinde sorgt für die Lokalisation und die „Bewusstwerdung“ des Schmerzes. All diese Vorgänge spielen sich mit einer rasanten Geschwindigkeit ab, je nachdem ob es sich um einen „langsamen“ oder einen „schnellen“ (heiße Herdplatte) Schmerz handelt mit 0,5-2 m/s oder 5-25 m/s.
Auch wenn der Schmerz nicht gezeigt, bzw. für uns Menschen nicht sichtbar gezeigt wird, ist die Schmerzwahrnehmung die gleiche. Das Nichterkennen liegt beim Beutetier u.a. daran, dass man für die Raubtiere keinesfalls auffallen darf. Man wäre eine leichte Beute. Auch unser Hund, als Wolfsahne ein Beutegreifer, kann es sich nicht leisten, als Invalide dazustehen.
Schmerztoleranz
Die Schmerztoleranz ist unterschiedlich. Hinzu kommt, dass die Hunde, u.a. abhängig von ihrer Rasse oder ihrem Charakter, Schmerzen unterschiedlich äußern. Das heißt, während der Windhund laut aufheult und minutenlang auf drei Beinen umherhumpelt, weil man aus Versehen seine Pfote leicht berührte, steckt der Jack Russel Terrier den Tritt eines Pferdes einfach so weg, obwohl er sich eine Platzwunde zugezogen hat.
Merke:
Das Schmerzempfinden ist immer subjektiv! Was wir erkennen können, ist lediglich die Reaktion auf einen Schmerzreiz. Diese ist nicht nur abhängig von der Schmerztoleranz, sondern auch (das ist den meisten unbekannt) von der Gemütsverfassung des Hundes. Angst und als deren Folge Stress senken diese Toleranzschwelle noch um einiges.
Akuter und chronischer Schmerz
Grob unterscheiden lässt sich der Schmerz nach seiner Dauer in akut und chronisch. Ein akuter Schmerz ist zeitlich begrenzt. Als Warnsignal gesehen kann er auf eine Krankheitsursache hinweisen. Im antiken Griechenland bekannt als „der bellende Wächter der Gesundheit“, hat er durchaus eine schützende Funktion. Der Mensch weiß das und schont sich bzw. den verletzten Körperteil. Der Hund kennt dieses Verhalten nicht.
Dauert der Schmerz länger, wobei der Zeitrahmen in der Wissenschaft unterschiedlich definiert ist, spricht man vom chronischen Schmerz. Dieser hat seine schützende Funktion verloren. Er ist diffuser und schlecht lokalisierbar. Der chronische Schmerz hat meistens mehr als eine Ursache.
Eine große Herausforderung ist es, chronische Schmerzen beim Hund überhaupt zu erkennen. An dieser Stelle muss das Phänomen „Schmerzgedächtnis“ erwähnt werden. Dauert ein akuter Reiz an einem Schmerzrezeptor länger an, so kann binnen kürzester Zeit eine Art „Schmerzbahn“ zum Gehirn entstehen. Kurz gesagt, es kommt zu einer dauerhaften Steigerung des Schmerzempfindens, welches einhergeht mit einer Veränderung der Körperfunktionen und des Verhaltens. Das Immunsystem wird herabgesetzt, die Anfälligkeit für Stoffwechselerkrankungen steigt.
Schmerzkreislauf
Nehmen wir einmal an, der Hund tritt in ein Loch und zieht sich eine Zerrung der Schultermuskulatur zu. Durch den starken Schmerz kommt es zu einer Schonhaltung, welche eine Muskelverspannung begünstigt. Die Gelenke werden somit unnatürlich belastet. Es kommt zu einer Verstärkung des Schmerzes (vielleicht nun schon an einer ganz anderen Stelle, z.B. im Rücken). Das führt zu vermehrten Verspannungen, nun schon im gesamten Rückenbereich. Natürlich wird der Hund wieder versuchen, diese durch eine neue Schonhaltung zu kompensieren. Auf die Dauer kann so aus einer recht harmlosen akuten Sache eine ernsthafte, im schlimmsten Fall eine chronische Erkrankung, des Bewegungsapparates werden.
Merke:
Ein Schmerzkreislauf, ein sog. „Circulus vitiosus“, kann in Gang gesetzt werden.
Schmerz – Schonhaltung –Fehlbelastung – Verspannung –stärkerer Schmerz – vermehrte Schonhaltung…
Schmerzen erkennen
Chronische Schmerzen sind beim Hund nur durch wirklich gutes Beobachten zu erkennen. Gerade bei schmerzhaften Arthrosen und Rückenbeschwerden wird die zunehmende Trägheit des Hundes gerne auf das Alter geschoben. „ Er wird eben alt“, heißt es dann. Im Rahmen einer Schmerzbehandlung kann man dann häufig erleben, wie aus einem „alten Hund“ wieder ein „junger Hüpfer“ wird. Kommen noch psychische Faktoren dazu (z.B. wenn der Hund immer öfter zu Hause allein gelassen wird, weil er kann ja an sportlichen Unternehmungen nicht mehr so teilhaben kann, der junge Hund im Agility – Parcours der Schnellere ist …) steigt der Stresspegel, die Schmerztoleranz sinkt immer mehr, und Angst kommt hinzu. Angst vor dem Schmerz, Angst sich zu bewegen, Angst allein zu sein. Allein sein heißt, vom Rudel ausgestoßen zu sein. Auch Hunde können Depressionen entwickeln!
Hier einige Symptome bei Stress und/oder Schmerzen:
Veränderte Verhaltensweisen: Er wird unsicher, zurückhaltend, liegt vermehrt auf seinem Platz, sucht Wärme/Kälte, ist unruhig, bellt vermehrt, zeigt sich aggressiv, hat Probleme beim Kotabsetzen, beim Wasserlassen, das Fell zeigt eine andere Struktur, es wird lockiger, liegt anders, die Haut schuppt, er zeigt vermehrtes Speicheln, hecheln…etc. Der Hund zeigt ein verändertes Schlafverhalten, jault nachts plötzlich auf, oder er springt nicht mehr sofort auf wenn die Leine geholt wird, er mag sich an bestimmten Körperstellen nicht berühren lassen, er „friert ein“ (d.h. er versteift seinen Körper völlig).
Fazit:
All das sollte uns veranlassen, unseren „Partner Hund“ genauer zu beobachten. Vergleichbar mit einem ins Wasser geworfenen Stein zieht selbst die kleinste Veränderung an einer Struktur weite Kreise. Inhalt einer guten Schmerztherapie sollte außer der Gabe von Medikamenten und einer individuellen Physiotherapie eine Veränderung des Aufgabengebietes des Partners Hund sein.
Sicherlich wird man für den Agility- oder Flyballweltmeister andere spannende Herausforderungen finden.