Gedanken zur Leinenführigkeit

Fragt man Hundebesitzer oder Hundetrainer, so scheint die Leinenführigkeit (oder besser gesagt die nicht vorhandene Lf) das größte Thema im Zusammenleben mit dem Vierbeiner zu sein.

Gehe ich durch den Park sehe ich sie schon – die Hunde meistens an der legendären Roll-Leine, ausgefahren so weit es geht. Am anderen Ende, weit entfernt (und das nicht nur körperlich) – der Mensch. Mit ausgestrecktem Arm. Entspanntes Miteinander sieht anders aus.

Warum ist das so? Wieso ist es so schwer, einen Hund an lockerer Leine zu führen?

Schauen wir uns das Wort LeinenFührigkeit einmal genauer an. Zusammengesetzt aus Leine(n) und Führigkeit. Eine Leine hat leider bei den meisten Menschen eine negative Belegung. Gern wird es gleichgesetzt mit festhalten. Eine Leine ist viel mehr. Sie ist als „Nabelschnur“, als Verbindung zu sehen.

Das zweite Wort Führigkeit – führen hat ja gerade bei uns in Deutschland einen negativen Touch. Dabei beeinhaltet das Wort soviel. Wer führen will, muss Vertrauen, Sicherheit geben können. Er muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Im Sinne unserer Hunde wollen wir gemeinsam einen Weg beschreiten.

Glaubt man den Angeboten mancher Hundeschulen, so ist diese Leinenführigkeit in wenigen Wochen ohne Probleme zu erreichen.

Dem ist nicht so. Natürlich kann ich einen Hund innerhalb kurzer Zeit in eine gewisse Richtung keksen, degradiere mich damit aber zum Leckerchenautomaten. Vielleicht kennt noch jemand die Kaugummi-Automaten? Geld rein – Kaugummi raus. Geld rein – kein Kaugummi raus – hämmer gegen den Automaten.

Bei sehr vielen Hunden führt das Keksen zudem irgendwann zu einem abfordernden Verhalten. Man wird angestupst oder sanft in den Arm gezwickt. „Hast du nicht was vergessen?“
 Ich keinen Hund, der nur mit mir geht, weil ich ihn vollstopfe. Das hat nichts mit führen zu tun.

Was brauche ich nun also um mit meinem Hund entspannt an lockerer Leine gehen zu können?

Zunächst einmal ein Minimum an Kommunikationsfähigkeit. Heißt zum Einen, ich muss meinem Vierbeiner mitteilen können, was ich möchte. Und zwar so, dass er es versteht. Kommunikation ist nicht, was ich sage (tue), sondern was beim anderen ankommt!

Zum Anderen muss mein Hund in der Lage sein, mit mir zu kommunizieren. Er muss aufnahmebereit sein. Ist er aber nicht, solange er mit anderen Dingen (z.B. Nachbars Katze) beschäftgt ist.

Zum Dritten, und jetzt wird’s schwierig, muss mein Hund mir folgen wollen, folgen können. Folgen setzt voraus, dass mein Vierbeiner mir vertraut, dass er sich sicher fühlt.

Ich folge als Mensch auch nur demjenigen, der mir Sicherheit bietet, der vertrauenswürdig ist.

Das Vertrauen muss ich mir erarbeiten. Bestenfalls vom Anfang des Hundelebens an. Wenn der Welpe ins Haus kommt. Je später, desto schwieriger. Ganz schwierig wird’s, wenn das Urvertrauen des Hundes zerstört ist. Dazu reichen Kleinigkeiten. Und da stehen nicht etwa die Hunde aus dem Tierschutz vorn, sondern die, die im Welpenalter schon gelernt haben, am besten nur sich selbst zu trauen. Bloß keinem Zweibeiner. Die sind ja nie da, wenn man sie braucht.

Z.B. wenn man in der „Welpenschule“ gemobbt wurde. Schafft er allein. Das regeln die schon!

Oder es sich gefallen lassen musste, von jedem Beliebigen angefasst zu werden. Muss er lernen!

Oder stundenlang durch den Park gezerrt wurde, wo so viele erwachsene Hunde waren, die dem Kleinen kommuniziert haben: Hier gehörst du nicht hin. Wehe du bewegst dich durch mein Revier!

Und dann sollten sie da auch noch ihr Geschäft erledigen…und das Schlimmste ist, ihre Menschen haben das gar nicht mitbekommen. Der andere will doch nur spielen!

Oder wenn der Lütte im Garten allein gelassen wurde. Hat er dann laut nach Verstärkung gerufen, gabs nur ein lautes: „Aus“! Aber niemand kam…so hat er gelernt, Dinge allein zu regeln. Man will ja schließlich überleben.

Und diesem Menschen soll der Hund dann folgen? An durchhängender Leine?

Na also bitte. Solch einem Chef würde ich kündigen…

Leinenführigkeit ist etwas, was ich mir erarbeiten muss. Bei dem Einen geht es schneller, der hat vielleicht den legendären „will to please“. Der Andere fragt nach. Ist ernsthafter. Stellt mich oft in Frage. Hier spielt auch die Rasse eine große Rolle. Herdenschützer und Solitärjäger z.B. sind darauf selektiv gezüchtet worden, Dinge allein zu regeln. Ohne zu fragen. Andere Rassen wurden darauf gezüchtet mit dem Menschen zusammen zu arbeiten (Hütehunde, Apportierhunde).

Sie alle werden leinenführig – stellen allerdings unter Umständen eine gewisse Herausforderung für ihren Menschen dar.

An dieser Stelle frage ich die mittlerweile entsetzten Hundebesitzer: „Was seid ihr bereit einzusetzen um mit eurem Hund artgerecht zusammen zu leben? Ihn als vollwertigen vierbeinigen Sozialpartner anzusehen?“

Vielleicht überlegt ihr mal, was ihr bereit seid einzusetzen.

Für das miteinander Leben und Lernen braucht es keine Kekse. Aufbau von Bindung (eine gewisse Bindung brauche ich, damit mein Hund mir folgen kann) braucht Zeit, Vertrauen, Schutz/Sicherheit und gemeinsames Erleben. Keine schnelle Lösung aber nachhaltig.

Es gibt ihn also nicht. Den einen Weg zur sicheren Leinenführigkeit. Schon gar nicht in einigen Wochen.  Zumindest nicht nachhaltig. Und das ist es doch, was wir eigentlich alle wollen: Nachhaltigkeit.

Leinenführigkeit lässt sich nicht erreichen durch Kekse vor die Nase halten oder Zupfen am Halsband. Ihr könnt noch so oft die Richtung wechseln oder stehenbleiben und hoffen, dass eurer Hund euch bemerkt. Euer Hund wird denken, nicht mal ordentlich laufen kann sie.

In diesem Sinne, erlebt gemeisam Dinge mit euren Hunden. Geht nicht einfach nur einzeln spazieren.

Bewältigt gemeinsam Probleme. Entwickelt gemeinsam Lösungstrategien. Gebt eurem Vierbeiner die Möglichkeit sich (seine Persönlichkeit) zu entwickeln. Und vor Allem: Lasst ihn nicht allein in für ihn nicht überschaubaren, für ihn nicht bewältigbaren Situationen.

Viel Spaß dabei!

Und – nehmt euch Zeit. Die intensive Zeit mit euren Vierbeinern ist unbezahlbar.